Ein einmaliges Set: Die Goldabschläge vom Bayerischen Geschichtstaler
Veröffentlicht am 09.11.2022
Ludwig I. war ein begeisterter Philhellene. Er machte aus München das Isar-Athen, das heute noch jedes Jahr Millionen von Touristen anzieht. Dafür ließ er Museen im Stil der klassischen Antike errichten. Er kaufte in Griechenland und Italien die Schätze, die München noch heute zu einem bedeutenden Wallfahrtsort der antiken Kunst machen. Dazu gehören unter anderem die Ägineten, der Barbarinische Faun und die Medusa Rondanini. Ludwig I. war nicht nur Kunstsammler. Nach seinen Ideen schufen bedeutende Künstler Neues nach antikem Vorbild. Am bekanntesten dürfte die Ruhmeshalle mit der Bavaria auf der Theresienwiese sein. Ihr Abbild wird jährlich hunderttausendfach in die ganze Welt verschickt: Als Hintergrund der unzähligen Selfies von Oktoberfestbesuchern.
Ludwig I. baute für die antiken Kunstwerke mit der Glyptothek eine Art modernen Tempel im klassischen Stil. Hier der Barbarinische Faun unter einer „römischen“ Kuppel. Foto: KW. |
Ludwig I. war ein Trendsetter, der antikes Gedankengut in moderne Infrastruktur übersetzte, nicht nur im Bereich der Architektur. Am einflussreichsten wurde seine Idee, nach römischem Vorbild Münzen zu prägen, die sowohl als Geld dienten, als auch seine Propaganda in eine breite Öffentlichkeit trugen.
Wichtigste Station auf dem Weg zur modernen Gedenkmünze
Natürlich hatten schon Herrscher vor Ludwig I. Münzen geprägt, deren Abbildungen aus dem normalen Typenkanon herausfielen. Aber diese Münzen waren einem konkreten Zweck zugewiesen. Sie dienten als Geschenke im diplomatischen Verkehr, bei großen Festen wie Hochzeiten oder Beerdigungen und / oder als Preise für Wettspiele.
Ludwig XIV. von Frankreich war der erste, der seine Propaganda systematisch, mehrmals jährlich in Form von Medaillen verbreitete. Viele bedeutende und weniger bedeutende Herrscher imitierten dieses Vorbild.
Und dann kam Ludwig I. von Bayern auf die Idee, statt Medaillen umlauffähige Gedenkmünzen herzustellen, die (zumindest theoretisch) frei zirkulieren und so seine Botschaften unters Volk bringen konnten. Wir wissen, wie intensiv der Herrscher sich selbst um seine Geschichtstaler bemühte. Es war Ludwig, der alle Themen festlegte und in zahllosen Korrekturdurchgängen das von den Künstlern entworfene Design immer wieder mit eigener Hand korrigierte.
Ein gutes Beispiel für diesen Vorgang sind die Stempel zu dem Geschichtstaler, der anlässlich des Herrschaftsantritts Ludwigs I. von Bayern herausgegeben wurde und von dem der erste der sieben Goldabschläge stammt. Auch wenn die Jahreszahl 1825 auf dem Stück zu lesen ist, wurden die Münzen erst mehr als ein Jahrzehnt später in Kurs gesetzt, und zwar 1836. Der Grund für diese Verzögerung waren die zahlreichen Änderungen, die Ludwig wünschte. Sie dokumentieren, wie sich seine liberale Grundeinstellung im Regierungsalltag änderte. Hatte der erste Entwurf die Bayerische Verfassung in den Mittelpunkt gerückt, ist sie auf dieser endgültigen Version auf ein kaum wahrnehmbares Buch unter Szepter und Krone reduziert.
Der zweite bei Numismatica Genevensis angebotene Goldabschlag stammt von den Stempeln des wohl bekanntesten bayerischen Geschichtstalers mit der Inschrift „Segen des Himmels“ und der Darstellung aller Porträts der königlichen Familie. Dieses Thema lag Ludwig ganz besonders am Herzen. Dieser Stempel gehörte zu den ersten beiden, die Ludwig in Auftrag gab. Er steht damit in der antiken Tradition: Römische Kaiser warben für ihre Herrschaft, indem sie ihre Söhne abbildeten, die (vermeintlich) garantierten, dass nach dem Tod des Herrschers kein Bürgerkrieg ausbrechen werde. Genauso ist Ludwigs Entwurf zu verstehen. Seine Brisanz gewann die Darstellung, weil der König selbst vom zweimaligen Aussterben des bayerischen Herrscherhauses profitiert hatte: 1777 starb mit Max III. Joseph die bayerische, 1799 die Pfälzer Linie der Wittelsbacher aus. Ludwig entstammte der wittelsbachischen Seitenlinie Zweibrücken-Birkenfeld.
Am 9. Oktober 1828 genehmigte Ludwig den Entwurf zum Stempel, allerdings mit einer wesentlichen Änderung: Die lateinische Umschrift musste ins Deutsche übersetzt werden. Dies war eine Grundsatzentscheidung. Alle zukünftigen Geschichtstaler sollten deutsche Aufschriften tragen.
In Kurs gesetzt wurden die Münzen erst 1831/2. Der Künstler bestand darauf, vor der Anfertigung des Stempels alle Mitglieder der königlichen Familie porträtieren zu dürfen. Ludwig sandte Exemplare dieser Münze an alle wichtigen Herrscherhäuser Europas. Seine Idee wurde bewundert und rezipiert. Die berühmteste Imitation sind die russischen Familienrubel, die den Geschichtstaler „Segen des Himmels“ bis ins Detail nachahmen.
Das Königreich Bayern gehörte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den deutschen Mittelstaaten von internationaler Bedeutung. Als größten außenpolitischen Erfolg verbuchte der begeisterte Philhellene Ludwig die Errichtung einer Sekundogenitur in Griechenland. Da sich die drei Schutzmächte der Hellenen – Russland, England und Frankreich – untereinander nicht einigen konnten, welchem der drei Herrscherhäuser die griechische Krone zustünde, wurde Otto, der zweitälteste Sohn Ludwigs, zum Kompromisskandidaten. Der Vorteil dabei war, dass das wohlhabende Bayern große Summen für den Aufbau des Landes zur Verfügung stellte.
Auf den Stempeln zum Geschichtstaler, von denen dieser Goldabschlag angefertigt wurde, bietet die Personifikation Griechenlands dem 17-jährigen König die Krone an, stellvertretend für die Deputierten der griechischen Nationalversammlung, die Otto am 15. Oktober 1832 in München den Treueeid leisteten.
Wer antike Münzen sammelt, dem dürfte das Motiv des Geschichtstalers, aus dessen Stempeln dieser Goldabschlag hergestellt wurde, seltsam vertraut vorkommen. Die Dame im antiken Gewand erinnert an die römische Göttin Securitas. Die stand seit der Antike für die wirtschaftliche Sicherheit der Bürger eines Landes. Und genau das ist auch die Botschaft des Geschichtstalers von 1835 auf die Errichtung der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Satzungsgemäß musste das Kreditinstitut drei Fünftel der Einlagen für vierprozentige Hypotheken im ländlichen Raum ausgeben. So sollte die bayerische Landwirtschaft konkurrenzfähig werden, um die Nahrungssicherheit in Bayern zu gewährleisten.
Die Stempel dieses Geschichtstalers sind dem Beitritt Bayerns zum deutschen Zollverein gewidmet, der als wirtschaftliche Union die politische Einigung Deutschlands im Zweiten Kaiserreich von 1871 vorwegnahm. Auch dieses Design ist antiken Vorbildern entnommen: Der Caduceus oder Merkurstab entwickelte sich im 19. Jahrhundert zum Symbol für den freien und ertragreichen Handel.
Die Stempel zu diesem Goldabschlag sind ein Dokument dafür, wie wichtig es Ludwig war, die noch sehr kurze Vergangenheit seiner Dynastie numismatisch zu verherrlichen. 1835 wurde vor der Oper das Denkmal für den königlichen Vater Ludwigs, Max I. Joseph, enthüllt. Ludwig ließ die Tatsache, dass es die Münchner Bürgerschaft war, die auf eigene Kosten das Denkmal realisierte, auf der Münze vermerken.
Am 25. August 1837 trat mit der Münchner Münzkonvention der 24 1/2 Guldenfuß in Kraft. Ludwig trug dieser neuen Währungsunion Rechnung, indem er statt der bisherigen Geschichtstaler Geschichtsdoppeltaler prägen ließ, die sich besser in Gulden umrechnen ließen. Ein Geschichtsdoppeltaler entsprach dreieinhalb Gulden.
Trotzdem wurden die in Planung befindlichen Geschichtstaler noch nach dem Stichdatum, wohl Ende 1837 / Anfang 1838 ausgegeben. Zu ihnen gehört der Typ „Der St. Michaels-Orden zum Verdienst-Orden bestimmt“. Dessen Goldabschlag ist genauso der letzte der sieben bei Numismatica Genevensis angebotenen Goldabschläge, wie dieser Münztyp der letzte bayerische Geschichtstaler war. Er war der Neustiftung des Verdienstordens vom Heiligen Michael durch Ludwig I. gewidmet. Als Zeichen der Zeit konnten in diesen Orden alle Personen „ohne Unterschied des Standes, der Geburt und der Religion“ aufgenommen werden, solange sie sich „durch Anhänglichkeit, durch Vaterlandsliebe und durch ausgezeichnet nützliches Wissen irgendeiner Art die besondere Zufriedenheit des Königs“ erworben hatten.
Philipp von Ferrari und seine Sammlungen
Während Tausende von silbernen Geschichtstalern für den Umlauf angefertigt wurden, ist jeder einzelne Goldabschlag ein Unikum, hergestellt im Jahr 1902 mit den historischen Originalstempeln im Bayerischen Hauptmünzamt München. Denn diese Abschläge wurden auf Kosten und Wunsch eines der bekanntesten Sammler des 19. Jahrhunderts angefertigt, der vor allem wegen seiner Briefmarkensammlung berühmt war. Sie gilt als die größte und wertvollste Briefmarkensammlung, die jemals zusammengetragen wurde. Etwas im Schatten steht die Münzsammlung von Philipp von Ferrari, die wohl nur deshalb nicht so bekannt ist, weil sie nicht unter seinem Namen versteigert wurde.
Philipp la Renotière wurde als Louis Philippe de Ferrari am 11. Januar 1850 in Paris geboren. Die Familie der Ferrari gehörte zu den zehn reichsten Familien weltweit. Sein Vater trug die Titel Marchese de Ferrari, Herzog von Galliera und Fürst von Lucedio. Auch seine Mutter stammte aus altem Genueser Adel. Der Familie gehörte der Palazzo Rosso in Genua mit seiner Gemäldegalerie, heute wegen seiner berühmten Gemäldegalerie eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Allerdings war es nicht der Reichtum seiner Eltern, der es Philipp von Ferrari ermöglichte, zu einem so bedeutenden Sammler machte. Er überwarf sich nämlich früh mit seinem Vater, weil dieser sich nicht mit der Homosexualität seines Sohnes abfinden wollte, und ließ sich von dem österreichischen Grafen Emanuel La Renotiere von Kriegsfeld adoptieren. Er verzichtete zunächst auf das Erbe des Vaters, da er selbst über ein großes Kapital verfügte, das er vor allem durch seine Investitionen in den Suezkanal erworben hatte. Nach dem Tod der Eltern gelobte er seinem Partner Albert Arnold in der von ihm errichteten Kapelle am Attersee ewige Treue und nannte sich seitdem Philipp Arnold. Unter diesem Namen sollte er sich in Steinbach am Attersee begraben lassen.
Trotz seines Reichtums lebte Philipp von Ferrari eher bescheiden. In den Gemeinden des österreichischen Attersees kannte man ihn als einen spendablen und zugänglichen Gast, der immer bereit war, für einen guten Zweck größere Summen zu stiften. Im Volksmund nannte man ihn gerne den Geldschmeißer, weil er – wohin er auch kam – Geldstücke unter die Kinder warf.
Dies bot Philipp die Möglichkeit, sich seine Wünsche als Sammler zu erfüllen. Er reiste zu allen wichtigen Briefmarken- und Münzhändlern seiner Epoche, wo er seine Erwerbungen meist sofort und in Gold bezahlte. Er war dafür bekannt, nicht zu handeln, wenn er etwas erwerben wollte. Und er hatte gute Kontakte zu den Münzstätten, unter anderem zum Bayerischen Hauptmünzamt. Dort lagerten Anfang des 20. Jahrhunderts noch die Stempel zu vielen bayerischen Prägungen. Aus diesen Stempeln wurden die goldenen Abschläge der Geschichtstaler angefertigt, die bei Numismatica Genevensis jetzt angeboten werden.
Philipp von Ferrari, der die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hatte, plante eigentlich, seine Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Doch nach seinem Tod am 20. Mai 1917 kam es anders. Frankreich forderte die Sammlungen Ferraris als Teil der Kriegsreparationen. Sie wurden als Einzelposten in den Versailler Vertrag aufgenommen. Ein Teil der Münzen wurden vom 27. bis zum 31. März 1922 bei Sotheby, Wilkinson & Hodge in London versteigert, ohne den Namen des Sammlers zu erwähnen. Dies wurde auch in den anderen Auktionskatalogen so gehalten, so dass wir die Münzsammlung Ferrari nicht in allen Details rekonstruieren können.
König Faruk von Ägypten
Der nächste große Sammler, der diese beeindruckenden Goldabschläge besaß, war Faruk, der von 1936 bis 1952 über das Königreich Ägypten herrschte. Er wurde am 11. Februar 1920 geboren und trat bereits mit 16 Jahren das Erbe seines Vaters an. Außer dem Königstitel verfügte er damit über ein Vermögen im Wert von 100 Millionen Dollar, mehr als 300 Quadratkilometer fruchtbares Land im Niltal, fünf Paläste, 200 Automobile und 2 Yachten. Das war genug Vermögen, um vor allem in den 1940er Jahren eine der umfangreichsten Münzsammlung seiner Zeit zusammenzutragen. Sie bestand aus 8.500 bedeutenden Raritäten, darunter der einzige legal exportierte 1933 Double Eagle, gleich zwei Exemplare des 1913 Liberty Head Nickel, sowie die unike Probe zum $ 20 Gold Eagle von MCMVII (1907) mit dem Indianerkopf von Saint-Gaudens auf der Vorderseite. Die Goldabschläge der bayerischen Geschichtstaler aus dem Besitz des Philipp von Ferrari befanden sich in guter Gesellschaft. König Faruk war wegen seiner kostspieligen Käufe bei Münzhändlern gleichzeitig beliebt und gefürchtet, denn alle Rechnungen mussten durch die ägyptischen Behörden beglichen werden, ein Vorgang, der sehr lange dauern konnte.
Ägypten war auch nach dem Zweiten Weltkrieg das reichste Land im Mittleren Osten mit mehr als 500 Millionären, während die Fellachen, die das Land bebauten in äußerster Armut lebten. König Faruk selbst galt als einer der reichsten Männer der Welt. Doch als er sich nicht in der Lage zeigte, die soziale Krise Ägyptens zu meistern, nahm die Akzeptanz seiner Herrschaft dramatisch ab. Sein extravaganter Lebensstil brachte die Bevölkerung gegen ihn auf. 1952 kam es zum Aufstand. Die Armee unter Colonel Gamal Abdel Nasser trieb Faruk ins Exil. Nach seinem Sturz bestellte die ägyptische Regierung die Londoner Münzhandlungen Baldwin’s und Sotheby ein, um die Münzsammlung zu versteigern. Ein beeindruckender Katalog mit 2798 Nummern und 37 Tafeln aus dem Jahr 1954 zeugt noch heute von der Bedeutung der Sammlung, zu der einst das prachtvolle Ensemble von Goldabschlägen der bayerischen Geschichtstaler gehörte, die nun im Rahmen der Auktion von Numismatica Genevensis am 14. November 2022 einen neuen Besitzer finden werden.
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